Emerging Architecture 3 – Architekturzentrum Wien (AzW)

Ausstellung im Architekturzentrum Wien, 21. 11. 2002 – 10. 03. 2003

Ausstellungsprojekte von Franz Sam:

Bürogebäude Stelzer.

Rechtsanwaltskanzlei Dr. Sacha.

Cafe Bar Hendrik.

Tennishalle Mitterau.

Wohnhaus Dr. Resch.

Eybl-Fassadengestaltung

“er ist schon einige jahre in der szene in und um wien unterwegs, mit den eigenen arbeiten aber bisher kaum bekannt. zehn jahre lang hat er als projektleiter bei coop himmelb(l)au einige spektakuläre dinge vor allem in der konstruktiven umsetzung betreut – den dachausbau falkestraße, das forschungszentrum seibersdorf, das ufa-kinozentrum in dresden. in seinen selbständigen bauten ab mitte der 1990er jahre ist primär die schärfe des ansatzes, weniger der expressive gestus der wiener dekonstruktivisten-pioniere weiter präsent. sam entwirft und bespricht seine projekte am liebsten mit dem vierfarbenstift. mit kalligrafisch hingeschriebenen diagrammen bringt er prinzipien, kraftlinien, gelenke und raumquerschnitte eines projekts auf den punkt. seine linien sind federnd – wie schwarze, rote, blaue pfeilschüsse im weißen raum des papiers. in jeder kreuzung, jeder überlagerung der farben schwingt das gefühl für tragen und lasten mit, antizipiert sich das bündeln, spannen und abfließen von kräften. schon in der baufachschule war sein ungewöhnliches ingeniöses talent aufgefallen. seine freude an der komplexität von baustatik hat sich von der abstrakten, mathematischen ebene sichtlich in den sinnlich-projektiven raum weiterentwickelt. jeder seiner striche ist konkret, ein kürzel für die simultaneität von technischer und gestalterischer vision. die prägnanz des strichs hat ihren ursprung in der schärfe des blicks. es ist ein röntgenblick, der altes mauerwerk, komplexe gewölbe-formationen, flickwerk von stahlbetonstrukturen oder geländeformen auf ihre spannungsverläufe abtastet, auf ihre zeitlichen und materiellen schichtungen, auf fest- und schwachpunkte durchleuchtet; kein kunsthistorischer datencheck, sondern analytisches vergegenwärtigen statischer befunde und sedimentierter baugeschichten. sam hat diesen blick in der jugend als hobby-geologe beim durchstöbern der fossilreichen lösslandschaft an donau- und traisenufer geübt und später als praktikant bei archäologischen grabungen im nahen osten perfektioniert. seine ersten arbeiten im raum von krems sind durchwegs implantate in historische bausubstanz.

die radikalität seiner eingriffe folgt nicht dem pubertären klischee einer überwindung oder platten distanzierung von geschichte. seine glasklaren interventionen sind vielmehr mit wissendem respekt vor der permanenz historischer fakten entwickelt. dem sensiblen, praktischen sehen dieser gegebenheiten folgt seine ungekünstelte reaktion, das hochkonzentrierte öffnen und überlagern des alten – des statisch und räumlich oft teuflisch vertrackten -mit der souverän beherrschten technik und den neuen raumansprüchen der gegenwart.”

Kapfinger O., Radikalität als Kontinuität – Radicality as Continuity, in: Architekturzentrum Wien (Hg.), Kommende Architektur 3 – Emerging Architecture 3, Wien 2003, S. 205-228