Multifunktionsobjekt, Paudorf
three locations
In Paudorf entstand mitten im Ort und dennoch auf der grünen Wiese ein neues Zentrum, welches durch die Einrichtungen und neuen Bedürfnisse der Konsum-Gesellschaft in ländlichen Raum bestimmt ist. Das Raumprogramm des eingeschossigen Neubaues schien auf den ersten Blick sehr ungewöhnlich: Neben der bereits eingesessenen, vorher in einem Geschoßwohnbau untergebrachten Zahnarztpraxis sollte auch ein kleines Cafe und eine Tabaktrafik unterkommen. Unter einem auskragenden – alles unter einen Hut bringenden – Vordach befinden sich die Eingänge zu allen drei „locations“, neben dem ebenfalls neuen Supermarkt und dem Gemeindehaus sollte dieser Eingangsbereich einen Art Drehpunkt darstellen. Im Sommer soll ein Gastgarten diesen Bereich noch mehr betonen. Das Sehen und Gesehenwerden ist zwar ein viel besprochenes Tagesthema wegen der vordergründig mangelnden Gemütlichkeit, gleichzeitig wurde das Cafe aufgrund seiner extremen Transparenz aber zu einem sofortigen vielbesuchten Ort von Einkäufern, Vorbeikommenden und –fahrenden wie auch Dorfbewohnern und Szenetreff. Die strenge und nüchterne Architekturerscheinung entspricht den Wünschen des Zahnarztes, der gleichzeitig Bauherr und Vermieter für die beiden anderen Einrichtungen ist. Es wurden wunschgemäß wenige und kontrastreiche Materialien verwendet. Im Inneren und im Bereich des Vordaches blieb der Beton sichtbar, der schwarze Boden aus Gussasphalt steht im Kontrast zu den weißgestrichenen (=zahnweißen) Trockenbauwänden und der weißen Außenerschienung. Lediglich die Logofarbe (orange) des Zahnarztes und die Logofarbe des Konditors (grün) wurden als Farbakzente verwendet. Konstruktiv besteht das Gebäude aus einem Stahlbetonscheibentragwerk mit einzelnen Stahlbetonstützen und Außenmauern aus Stahlbeton mit unter- und Oberlichten. Das auskragende Vordach wurde – um es schlanker wirken zu lassen – an den Rändern voutenförmig abgedickt.
Der Zahnarzt, der Konditor und der Trafikant
Text: Elke Krasny, aus Architekturführer Niederösterreich, Mostviertel
Für die ungewöhnliche Kombination dieser drei Berufe entwickelten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch ein noch ungewöhnlicheres Multiobjekt, das einem Roadmovie entsprungen zu sein scheint und wenn man vom Hügel hinunter ins neue Siedlungsgebiet am Stadtrand Paudorfs fährt als überraschender, städtebaulich streng positionierter Attraktor auftaucht. Das radikal ungewohnte Gebilde zieht die Blicke der stark befahrenen Straße auf sich. Auf Initiative des Bauherren, des Zahnarztes Manschiebel, erfolgte die konzeptuelle Zusammenführung der verschiedenen Professionen. Das eingeschossige Gebilde enthält rechterhand die Zahnarztpraxis, linkerhand die Cafekonditorei und in der Mitte, wie ein Keil hineingeschoben, die Tabaktrafik. Unter dem Vordach können die Autofahrer direkt an die Zigarettentankstation heranfahren. Nach hinten verjüngt sich die Trichterform und enthält die vier parallel angeordneten Ordinationsräume der Zahnarztpraxis. Der Wunsch nach introvertierter Zurückhaltung führte zu einem Oberlichtband, das sich in das Büro des Zahnarztes als Unterlichtband zieht und auf 70 cm Höhe Einblicke auf Schuhwerk und Beine freigibt. Bestimmend für die nüchtern, schlichten Praxisräume sind die drei Materialien Beton, Gipskarton und Glas. Schwarzer Gußasphaltboden kontrastiert mit den weißen Wänden und dem grünen Glas. Der Konditor hat in aneignender Verwendung den Sichtbeton mit Rosenstoff umwickelt.
Fotos © Hertha Hurnaus